Diese Fahrt ist unbedingt zu empfehlen für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie ein Fahrzeug im absoluten Grenzbereich zu fahren ist.
Ich sitze auf dem Beifahrersitz neben Olaf Dobberkau, des deutschen Vizemeisters 2003 in einem Mitsubishi Lancer Evo 5 der Gruppe A. Wir fahren gemeinsam zum Start des Shakedown der Pneumant-Rallye in der Lutherstadt Wittenberg. Der Shakedown ist eine abgesperrte Strecke vor einer Rallye, bei der die letzten Einstellungstests gemacht werden können. Das Interessante an dieser Rallye ist der Untergrund: Es ist die einzige Schotterrallye im Rahmen der Deutschen Rallye Meisterschaft. Olaf erzählt mir dabei sehr bereitwillig Einzelheiten zum Auto und es kommt noch zu einer Fachsimpelei über Rallye im Allgemeinen. Am Start des Shakedown stehen bereits andere Fahrzeuge und wir müssen noch einen Moment warten.
Das angriffslustige Grummeln des Motors im Leerlauf ist auch mit Helm auf den Ohren deutlich zu hören und zu spüren, 300 PS, gepaart mit einem Drehmoment von 522 Nm machen auch im Innenraum einen gehörigen Lärm. Olaf rollt auf die Startlinie zu und erklärt mir während dessen die Dinge, die ein Copilot noch vor dem Start tun sollte: Tripmaster nullen, Unterlagen verstauen, Roadbook zur Hand haben und schließlich die Startuhr im Auge behalten. Vor dem Start geben wir uns kurz die Hand, Olaf legt den ersten Gang ein und zählt von fünf runter. 2 Sekunden vor dem Start gibt er bereits Vollgas, das Auto bebt, der Drehzahlbegrenzer ist unter Vollstress und plötzlich schießen wir los. Anders lässt es sich nicht beschreiben, denn es ist mit nichts vergleichbar, was ich aus einem Privatauto auch nur annähernd kenne!
Unglaubliche Kräfte drücken mich in den Vollschalensitz, und ich kann jetzt den Mechaniker aus Olafs Team verstehen, dass er so viel Mühe aufgewendet hat, mich richtig anzuschnallen! Zweiter Gang, dritter, vierter, wir fliegen dahin. Fünfter Gang, ich schiele nach links auf den großen Tacho: 180, und wir sind erst wenige hundert Meter gefahren! Und nicht auf Asphalt, sondern auf einem üblen Schotterweg zwischen Feldern. Olaf: “Sag Bescheid, wenn ich dir zu schnell bin!” Ich: “Nee, lass’ fliegen!” Das tut er dann auch, als wir auf die erste Links-Rechts-Kombination zurasen. Harter Bremspunkt, runterschalten in den vierten Gang, übersteuern, Gas, die Linkskurve liegt hinter uns, Gas weg, übersteuern nach links, wieder Vollgas, hochschalten, durch… Die vielen Schlaglöcher nehme ich gar nicht wahr, so fest bin ich mit dem Sitz verschweißt. Aber dass sie da sind, weiß ich, weil ich vorher die Strecke selber im zweiten Gang abgefahren war…
Auf der Geraden beschleunigt Olaf wieder auf jenseits der 180, doch diese Strecke ist sehr kurz: jetzt folgt ein scharfer Abzweig nach rechts. War der Weg bislang breit genug, dass zwei Autos aneinander vorbei gepasst hätten, wird es nun enorm schmal. Aber so weit sind wir noch gar nicht, erst einmal will der Abzweig genommen werden. Olaf fährt mit einer wahnsinnigen überschussgeschwindigkeit diese Kurve an und ich denke: Jetzt geht es scharf nach rechts. Fehlanzeige! Olaf reißt am Lenkrad und schießt nach links! Wieder ein schneller Dreh am Lenkrad, hart bremsen, zwei Mal runterschalten, heftiges übersteuern, das Auto rutscht in eine der tiefen Spurrillen, will leicht kippen! Aber nichts da, noch einmal runterschalten und Vollgas! Wir stehen nun quer zur vorigen Bewegungsrichtung, aber dafür genau in die Richtung gedreht, in die wir weiter fahren wollen! Vollgas auf die anschließende Gerade. Zum Durchatmen fehlt mir die Zeit, allerdings war es schon überraschend, ein Kurvenende aus dem rechten Seitenfenster sehen zu können…
Weiter geht es auf dem sehr engen Waldweg. Ich habe den Eindruck, dass die Bäume direkt neben dem Auto stehen. Der Tunnelblick wird bei dem enormen Tempo immer enger. Wir fahren etwa 140 km/h, wenn mich mein Blick nicht trügt, den ich wieder kurz nach links werfe. Olaf schaltet wieder in einer unglaublichen Geschwindigkeit, doch plötzlich ist kein Weg mehr da. Nur noch Bäume vor uns! Denke ich zumindest, denn Olaf schaltet wieder runter, lässt das Auto quer stehen und wir driften durch eine Linkskurve, die vorher praktisch nicht zu sehen war. Gleich gefolgt von einer weiteren Rechtskurve. Die Handbremse ist fast im Dauereinsatz, als er das Auto quer zur Fahrtrichtung bewegt. Wieder volle Beschleunigung, raufschalten bis in den fünften Gang, der Waldweg scheint immer enger zu werden. Zwischendurch die Frage, ob es mir gefiele, begleitet von einem schelmischen Grinsen. Ich kann nur antworten, dass er mich ja anrufen kann, sollte seine Beifahrerin mal krank werden…. Die letzte Gerade des Shakedown ist sehr unruhig zu fahren, das Auto schlingert durch die tiefen Wellen und Spurrillen. Aber Olaf hat dies alles sicher im Griff, ständiges Beschleunigen, leichtes Anbremsen, Gegenlenken gehen bei ihm so selbstverständlich vonstatten, wie bei “normalen” Autofahrern wahrscheinlich das öffnen eines Seitenfensters, wenn man nach dem Weg fragen will. Und schon sind wir im Ziel angelangt, die wilde Fahrt ist leider schon zu Ende. Noch ein letztes Schlingern vom harten Bremsen und wir biegen wieder auf eine “richtige” Straße ein. Asphalt, wie langweilig….
Wir fahren zurück zum Service und ich bekomme die Hilfestellung, die ich brauche, wenn ich wieder aus dem Auto steigen will. Denn der überrollkäfig ist sehr eng und die Öffnung zum Aussteigen nur akrobatisch zu bezwingen. Wir stehen noch eine Weile neben dem Auto und ich bedanke mich erneut bei Olaf für diese irrsinnige Fahrt durch den Wald. Ein wirklich einmaliges Erlebnis! Das Kurvenende aus dem Seitenfenster betrachtet…
Diese Fahrt ist unbedingt zu empfehlen für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie ein Fahrzeug im absoluten Grenzbereich zu fahren ist.
Vielen Dank noch einmal an Olaf, der sehr sympathisch alle meine Fragen geduldig beantwortet hat. Und auch Dank an das Team für die sehr nette Betreuung während dieses Rittes auf der roten Kanonenkugel.
Frank